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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 18.06.2003
Aktenzeichen: 7 U 180/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 823 Abs. 1 | |
BGB § 847 a.F. | |
ZPO § 32 |
2. Die sich danach aus § 32 ZPO ergebende Zuständigkeit ist umfassend und begründet eine Prüfungskompetenz für alle materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen und für die gesamte Behandlung.
Oberlandesgericht Karlsruhe 7. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 7 U 180/02
Verkündet am 18. Juni 2003
In dem Rechtsstreit
wegen Schadensersatz
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2003 unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht Richterin am Oberlandesgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 17. September 2002 - 1 O 103/02 - und das ihm zugrunde liegende Verfahren aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Mosbach zurückverwiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
I.
Die Abweisung der Klage auf Schmerzensgeld und Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten aufgrund einer angeblich fehlerhaften ärztlichen Behandlung wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit des Landgerichts kann keinen Bestand haben. Das Landgericht M. ist zuständig.
Für den Gerichtsstand gem. § 32 ZPO ist der Ort entscheidend, an dem die (behauptete) unerlaubte Handlung begangen wurde. Dies war hier - auch - W. Nach ständiger Rechtssprechung ist die unerlaubte Handlung sowohl am Handlungsort als auch am Ort des Erfolgseintritts begangen. Für den Eintritt des Erfolges ist dabei nicht auf die Schadensfolgen abzustellen, sondern auf den Verletzungserfolg, also die Verletzung des Rechtsguts, ohne die die unerlaubte Handlung nicht vollendet wäre (BGHZ 52, 108, 111; BGH NJW 1977, 1590; NJW 1990, 1533).
1. Grundsätzlich ist bei einer ärztlichen Behandlung der Handlungsort im Sinne der unerlaubten Handlung die Praxis des behandelnden Arztes. Dies gilt zunächst für die eigentliche Untersuchung oder Behandlung, die hier am 16.05.2001 in Bad K. durchgeführt wurde, als sich die Klägerin dort einer ambulanten selektiven Koronarangiographie unterzog. Gleiches gilt aber auch für die im Rahmen der ärztlichen Behandlung durchgeführten Aufklärungsgespräche oder Beratungen. Denn in der Regel finden diese in der Praxis des Arztes statt. Ob sich an dieser Beurteilung etwas dadurch ändert, dass die Beratung, wie hier im Anschluss an die Angiographie - mit umstrittenen Inhalt des Gesprächs - telefonisch erfolgt, ist fraglich. Zwar wurde bei der telefonischen Beratung die ärztliche Tätigkeit in der Praxis ausgeführt, jedoch erfolgten die notwendigen Mitwirkungshandlungen, die Fragen bzw. Schilderung der Symptome seitens der Klägerin und die Entgegennahme der Beratung - ihren bestrittenen Vortrag als richtig unterstellt - an ihrem Wohnsitz. Die notwendige Mitwirkung der Patientin begründet auch den Unterschied zu Fällen, in denen ausschließlich die Verletzungshandlung an einem Ort geschieht, so beim Absenden eines Briefes (z. B. mit ehrverletzendem Inhalt), während der Erfolg an einem anderen Ort eintritt (vgl. dazu Musielak/Smid, ZPO, 3. Aufl., § 32 Rn. 15). Die Frage braucht jedoch nicht entschieden zu werden, da die Zuständigkeit sich jedenfalls aus dem Ort des Erfolgseintritts in W. ergibt.
2. Nach dem für die Zuständigkeitsbestimmung zugrunde zu legenden Vortrag der Klägerin ist durch die angeblich falsche telefonische Beratung ein (weiterer) Verletzungserfolg am Wohnsitz der Klägerin eingetreten (vgl. auch BGH NJW 1990, 1533). Dies gilt unabhängig davon, ob die erste Verletzungsursache bereits durch das angebliche Durchstoßen der Arterienrückwand bei der Koronarangiographie am 16.05.2001 gesetzt wurde. Ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 823 BGB, 847 BGB a. F. kann sich nicht nur aus einer fehlerhaft durchgeführten Untersuchung oder Behandlung ergeben, sondern auch daraus, dass eine gebotene Nach- oder Weiterbehandlung nicht sichergestellt wird. Einen solchen Behandlungsfehler behauptet die Klägerin, indem sie vorträgt, am 17.05.2001 von der in der Praxis des Beklagten angestellten Frau Dr. H. die fehlerhafte Auskunft erhalten zu haben, "es handle sich um einen Bluterguss, das gehe vorüber", weshalb in der Folge die gebotene Behandlung unterblieben und der Bluterguss weiter angeschwollen und eine erhebliche Ausdehnung angenommen habe. Danach hätte die angebliche Auskunft im Telefonat zumindest eine Vertiefung des Verletzungserfolgs herbeigeführt, so dass die unerlaubte Handlung sowohl in Bad K. als auch in W. begangen worden wäre. Dies gilt unabhängig davon, ob die Klägerin aus W. telefoniert hat oder von einem anderen Ort. Denn der Erfolg der Körperverletzung tritt nicht unbedingt am Ort des Telefonats ein, sondern am Wohnsitz des Patienten (vgl. dazu BGH NJW 1990, 1533).
3. Für das weitere Verfahren wird darauf hingewiesen, dass sich aus § 32 ZPO eine umfassende Zuständigkeit und Prüfungskompetenz des Landgerichts M. für die gesamte Behandlung ergibt. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2003, 828) sind die Grundsätze des § 17 Abs. 2 GVG auch für die Auslegung des § 32 ZPO heranzuziehen, so dass das örtliche zuständige Gericht den geltend gemachten Anspruch unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen hat, soweit es sich um einen einheitlichen prozessualen Anspruch handelt (BGH a. a. O. S 829). Ein solcher liegt hier vor. Wie dargelegt gehört zu einer fehlerfreien Untersuchung und Behandlung nicht nur die Untersuchungsmaßnahme oder Behandlungsmaßnahme an sich, sondern auch eine gebotene Sicherstellung der Nach- oder Weiterbehandlung (vgl. z. B. BGH NJW 1991, 748, 749). Damit liegt eine einheitliche Behandlung vor, aus der der Patient, auch wenn er mehrere Behandlungsfehler behauptet, einen einheitlichen prozessualen Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld herleitet.
II.
Der Senat sieht von einer eigenen Entscheidung in der Sache gem. § 538 Abs. 1 ZPO ab. Die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO sind gegeben. Die Zurückverweisung ist sachdienlich, da das Interesse an einer schnelleren Erledigung gegenüber dem Verlust einer Tatsacheninstanz keinesfalls überwiegt (vgl. BGH NJW 2000, 2024, 2025). Die Entscheidung in der Sache erfordert eine umfangreiche Beweisaufnahme mit der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Es ist angemessen, diese Beweisaufnahme vor dem Landgericht durchzuführen, da der Verlust einer Tatsacheninstanz in einem solchen Falle die Parteien benachteiligen könnte.
III.
Die Kostenentscheidung ist dem Schlussurteil vorzubehalten (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 538 Rn. 58).
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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